Von starken Erschütterungen wurde die Region um die Flüssen Chopjor und Medwediza nach der Oktoberrevolution 1917 erfaßt. Im Januar 1918 verweigerten sich die Kosaken der Bezirke Chopjor und Ust-Medwedizkaja einem Anschluß an das gegen die Sowjetmacht angetretene Donheer unter Ataman Kaledin. Mit der Gründung einer autonomen Sowjetischen Don-Republik im April 1918 wurde zunächst versucht, dem Selbstverständnis der Kosaken Rechnung zu tragen. Doch schon wenig später fühlten sich die Kosaken in ihren angestammten Rechten bedroht.  Dazu trug nicht nur der als Schmach empfundene Frieden von Brest-Litowsk bei. Das Dekret über den Boden enthob die Kosakenschaft der bisherigen Privilegien bei der Bodennutzung, ihre Stellung als besonderer militärisch-sozialer Stand war bedroht, sie sahen sich dem Zugriff der Kommandos zur Lebensmittelbeschaffung ausgeliefert. Es kam zu einer Vielzahl von Kosakenaufständen.

 

chopges_400Denkmal für einen der ersten Traktoren an der Straße von  Serafimowitsch nach Michailowka

     

Von der Dynamik der Ereignisse jener Zeit zeugt folgender Fakt: Allein von Mai bis Juli 1918 wechselte die Macht in Urjupinsk viermal. Ständige Fluchtbewegungen, persönliche Unsicherheit der Menschen, Engpässe in der Versorgung mit allem Notwendigen, Einquartierungen und Requierierungen durch die Armeen und eine tödliche Typhusepedemie schürten die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Im Mai 1918 wurde P.N. Krasnow zum Ataman des Donheeres gewählt. Er setzte eine Mobilmachung der gesamten Kosakenschaft durch, um zunächst das "rote" Zaryzin (heute Wolgograd) und später Moskau einzunehmen. Auf dem Hintergrund der instabilen Situation erhoben sich im Spätherbst 1918 ca. 5000 Kosaken der Staniza Urjupinsk für die Wiedererrichtung der Sowjetmacht. Ihr Aufstand wurde niedergeschlagen. Im Januar eroberte die Rote Armee den Bezirk; bis Mitte Juni 1919 unterstand der Bezirk Chopjor der Sowjetmacht. Viele Maßnahmen der neuen Macht zielten darauf ab, die Kosaken zu unterminieren: die Stanizen wurden offiziell in Dörfer umbenannt; das Tragen der Seitenstreifen auf den Kosakenhosen wurde verboten. Erst im Dezember 1919 wurde diese Politik korrigiert. Im Sommer 1919 eroberten weißgardistische Truppen den Don. Der "rote" Terror wurde vom "weißen" abgelöst. Der blutige Kampf um die Macht am Don dauerte bis zum März 1920. Er vernichtete auf beiden Seiten den aktivsten Teil der Kosakenschaft und führte die Region wirtschaftlich in den Abgrund.

Die frühen 20-er Jahre brachten den großen Hunger und zahlreiche Epidemien. Erst 1925 normalisierte sich die Lage auf dem Lebensmittelmarkt. Vom Übergang zur NÖP profitierte die Mehrzahl der Kosaken. Der Anteil der mittel- und großbäuerlichen Wirtschaften nahm deutlich zu, ebenso der private Handel. Mit der Aufgabe der NÖP Ende der 20-er Jahre änderte sich die Situation drastisch. Während Ende 1928 ganze 2,4% der Bauern im Bezirk Chopjor in Kolchosen arbeiteten, waren es 1929 bereits 80%. Um Widerstände zu brechen, wurde einem nicht unbeträchtlichen Teil der Bevölkerung des Bezirks, nämlich 12%, des Wahlrecht für die örtlichen Sowjets entzogen. Gleichzeitig begannen Entkulakisierungskampagnen, von denen nicht nur die Groß-, sondern auch viele Mittelbauern betroffen waren. Verhaftungen setzten ein, Familien wurden entweder nach Sibirien oder Kasachstan verbannt oder aber in unerschlossene Gegenden der Region verschickt. Manchen wurde Boden am Rande der eigenen Gemeinde zugewiesen, sie mußten sich dort neu einrichten.

 Die Kollektivierungskampagne war begleitet von antireligiöser Agitation - und nicht nur das: 95 % der 175 Kirchen, die Ende 1928 im Bezirk bestanden, wurden nun geschlossen.
Der Bezirk Chopjor war der erste im Land, der die vollständige Kollektivierung zu vermelden hatte. Doch Anfang der 30-er Jahre kam es auf dem Hintergrund der Fehlerdiskussion um die Kolchosen noch einmal zu massenhaften Austritten. Mit ökonomischen Maßnahmen und dem Ausbau der technischen Basis der Kollektivwirtschaften gelang es schließlich doch, vor allem die Jüngeren für die Kolchosen zu gewinnen. Sie lernten lesen und schreiben, besuchten Traktoristenschulen und Agronomiekurse. In vielen Gesprächen hörten wir von schrecklichen Ereignissen während der Entkulakisierungswellen und Kollektivierungskampagnen, von Willkür und Denunziationen, Gewalt und Grausamkeit. Die Arbeit in den Kolchosen und Sowchosen erfuhr meist keine derart negative Wertung. Viele der heute alten Menschen blicken resigniert oder wütend auf das, was von den Agrarbetrieben übriggeblieben ist.
 
Autorin: Marion Krause