LEK1 - Info | ||
LEK1-Info 1 | ||
Die Art, wie Šáchmatov seine Léka- Expedition beschreibt und wie er versteht, das Interesse des Lesers zu wecken, ist mir ein gutes Vorbild. Er umgibt seine sprachlichen Beobachtungen mit Informationen über seinen Weg, seine Begegnung mit den Menschen, über seine Rolle als Gast in diesem Dorf, seine Freundschaft mit den Informanten. Von ihm erfährt man, dass es diese Kasímovka gibt, und dass es in unmittelbarer Nähe der Großstadt Moskau lebendige Dialektregionen gibt. 1948 fand S.S. Vysóckij vom Institut für Russische Sprache der Akademie der Wissenschaften, Menschen, die diese Beobachtungen bestätigten, ebenso wie wir ein halbes Jahrhundert später. Die Frage ist, wie lange es noch Menschen geben wird, die hier ihren Lebensraum und ihre Sprache haben. | ||
Das ist der Anfang des berühmten Artikels "Beschreibung des Dialekts von Leka im Bezirk Egorovsk im Gouvernement Rjazan'" mit einer genauen Beschreibung der Lage des Ortes. | ||
LEK1-Info 2 | ||
Das Programm von 1947 ist als Quartbändchen im Format 9 x 12 cm, eine bibliographische Seltenheit. Die Fragen kann man heute bequem im Internet finden und herunterladen. Die Leute, die bei der Sammelarbeit beteiligt waren, hatten das Büchlein dabei, ebenso wie ein leeres Heft, in das die Antworten eingetragen wurden. Diese Antworten bildeten dann die Anlage der Dialektkarten, die als DARJa I bis IIIa und IIIb erschienen.
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LEK1-Info 3 | ||
Der große Dialektatlas der russischen Sprache ist mittlerweile vollständig erschienen. Hier ein kleiner Ausschnitt aus der Karte, auf der das sogenannte Ókanje festgehalten ist. Dieses Phänomen betrifft die o-Laute, wie sie in unbetonter Position realisiert werden. Im Russischen fallen sie entweder mit der Realisierung des a-Lautes zusammen, und dieses sogenannte Ákanje ist charakteristisch für mittel- und südrussische Dialekte, deren Territorium im Atlas rot schraffiert dargestellt ist. Ókanje zeichnet Dialekte aus, in denen die Laute a und o vor dem Wortakzent unterschieden werden, hier bläulich gefärbt. Auf dem kleinen Ausschnitt aus der Dialektkarte erkennt am das Dreieck Moskau, Vladímir und Rjazán' wieder und sieht, dass unser Léka im Grenzgebiet liegt. Ein kurzes Anhören der Sprachbeispiele überzeugt uns, dass wir es in Léka mit Akanje zu tun haben. | ||
LEK1-Info 4 | ||
Avanesov, R.I., Orlova, V.G. (eds.) 1957: Metodičeskie ukazanija k „programme sobiranija svedenij dlja sostavlenija dialektologičeskogo atlasa russkogo jazyka“. Moskva. (Methodische Hinweise zum Programm für das Sammeln von Informationen für die Zusammenstellung des dialektologischen Atlasses der russischen Sprache). Mit zwei Anhängen, in denen Wortlisten zum betonten Vokalismus aufgeführt sind. Bei dieser Sammelarbeit taucht ein Problem auf, und wie wichtig dieses ist, kann man an den kritischen Formulierungen von Avanesov 1957 ablesen. Die an der Sammelaktion beteiligten Leute ließen sich von der Formulierung des Programms 1947 leiten und gaben die hier vorformulierten Fragen direkt an die Dialektsprecher weiter. Gegen diese Methode verwehrt sich Avanesov, er verbietet sie mit scharfen Worten, weil er berechtigterweise fürchtet, dass direkte Fragen nach der Aussprache nicht zur Dialektbesonderheit führen, sondern zum in der Schule Gelernten. Er empfiehlt die Methode der „gelenkt hinführenden Fragen“ (наводящие вопросы, 1957, Seite 8 f.) |
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Dieser Ausschnitt aus dem Buch (1957, Seite 7) zeigt, mit welchem Nachdruck Avanesov die Dialektologen vom falschen Weg des Abfragens abbringen will. |
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LEK1-Info 5 | ||
Die Region um Léka, rund 150 km von Moskau entfernt, ist also von den Dialektologen aufgesucht und ihre Bewohner sind befragt worden. Wie das Ergebnis aussieht, sieht man auf LEK1-Info 3. Auf der rechten Karte sehen wir das gesamte Gebiet, das im Dialektatlas erfasst wurde. Diese Karte findet man seit ihrer ersten Veröffentlichung 1964 in vielen Lehrbüchern, auch auf unserer Startseite unter Regionen. Dort findet sich auch die Begründung, warum nur ein so kleiner Ausschnitt berücksichtigt wird: Alles außerhalb dieses Ausschnitts liegende ist sekundäres Dialektgebiet, da sich Russen erst spät, nach dem 16. Jahrhundert dort angesiedelt haben. Blickt man auf die Karte unserer Startseite, kann man feststellen, dass die von uns aufgesuchten Regionen ausserhalb des DARJa-Gebietes liegen und so eine sinnvolle Ergänzung darstellen, vor allem durch die Konservierung und Verbreitung der "lebendigen Gespräche". Freilich sind wir sehr darauf angewiesen, bei der Erfassung der „sekundären“ Sprachregionen uns auf die Gegebenheiten der primären Regionen stützen zu können. |
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LEK1-Info 6 | ||
http://www.youtube.com/watch?v=i8sHREvpOt8&feature=related, eine unterhaltsame Präsentation über das heutige Kasimov, mit Musik und Sprache im guten alten Pomp des rhetorischen Stils. | ||
LEK1-Info 7 |
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Die Konflikte von Zar Vasilij II mit den Tataren beschreibt Günther Stökl, 1962: Russische Geschichte, Stuttgart, S. 184 ff.: "Vasilij II. hatte das Unglück, 1445 bei Suzdal' eine Schlacht gegen Ulug Mehmed, mit dem er bis dahin eher in guten Beziehungen gestanden war, zu verlieren und in die Gefangenenschaft des Kazan'schen Chans zu geraten. Gegen das Versprechen eines hohen Lösegeldes erlangte er seine Freiheit wohl ziemlich bald wieder, aber die zahlreiche tatarische Begleitung, in der er zurückkehrte, gab seinem Gegener Dmitrij Šemjaka Anlaß zu einer geschickten und erfolgreichen Propaganda: "Warum hast du die Tataren in das russische Land gebracht und ihnen Städte gegeben und ihnen Landbezirke zum Unterhalt ausgegeben? Die Tataren und ihre Rede liebst du über die Maßen, die Christen aber peinigst du über die Maßen ohne Gnade, und Gold und Silber gibst du den Tataren." Es ist klar, dass Šemjaka maßlos übertrieb, um in der Rolle des Retters der Christenheit seine eigenen Ziele anzustreben, und vorübergehend hatte er damit Erfolg. Aber ganz aus der Luft gegriffen waren die Vorwürfe nicht. Wir wissen, dass die vertriebenen Söhne des Ulug Mehmed, die tatarischen Prinzen (Careviči) Qāsim und Jaqūb vielleicht schon vor 1445, sicher aber nachher zu den treuesten Anhängern Vasilijs zählten. Qāsim wurde, nachdem er sich in der letzten Phase des Kampfesgegen Šemjaka ausgezeichnet hatte, von Vasilij mit Meščerskij Gorodok (später Kasimov) an der unteren Oka belehnt und begründete hier ein tatarisches Vasalenfürstentum, das Moskau wertvolle Dienste in der Grenzverteidigunggeleistet hat (184). |
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LEK1-Info 8 |
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Starostin; E. (2008): Lodki Meščery (Die Boote aus der Meščera). N.D. Čistjakov (ed.): Šaturskaja Meščera. Istoriko-kraevedčeskij almanach. Šatura, 34-47. Dieses Bändchen hat eine kleine Auflage, kaum jemand wird es in die Hand bekommen. Wichtig für uns, dass diese schwarzen, aus einem Baumstamm ausgehöhlten Boote als eine Spezifik der Region gelten können. | ||
LEK1-Info 9 |
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Max Vasmer: Russisches etymologisches Wörterbuch. Bände 1 bis 3. Heidelberg 1976 | ||
LEK1-Info 10 |
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http://kulteen.livejournal.com/45973 | ||
LEK1-Info 11 |
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Gegenstände, die das Alltagsleben unsere Gesprächspartner prägten und bis heute prägen, bilden einen eigenen Bereich der regionalen Kultur. Im heutigen Russland sind diese Gegenstände weitgehend von neuen und von importierten Waren verdrängt worden. Für jemand, der wissen will, was vorher war, gibt es ein Hilfsmittel: Tovarnyj slovar'. Was für uns Anregung zu nostalgischer Rückkehr in eine vergangene Welt sein könnte, ist für den Lebensbereich unser Gesprächspartner alltägliche Gegenwart, und wir sollten sie genau so intensiv kennenlernen wie ihre sprachlichen Kommunikationsformen. |
Tovarnyj slovar´- Warenwörterbuch |
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Eine gute Quelle zum Kennenlernen der sowjetischen Alltagskultur ist die neunbändige Enyzyklopädie aus den 60er Jahren (Tovarnyj slovar´- Warenwörterbuch), in dem alles beschrieben wird, was man damals kaufen konnte. Dort ist auch der Fernseher Temp-6 vertreten. Dieser hat, wie im Band 7, Seite 707 beschrieben, 18 Röhren, 15 Halbleiterelemente und einen Bildschirm von 360 mal 270 Millimeter. |
Der Fernseher Temp-6, den wir im Wohnzimmer von Alaksandra Aleksandrovna in Leka bewundert haben. |
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LEK1-Info 12 | ||
Gzhel'-Seite www.artshop-rus.com/rus/articles/History_Gzhel | ||
LEK1-Info 13 | ||
Viktor Loginov. Jurij Skal'skij: Eto zvonkaja skazka - Gzhel'. Moskva1994 (Es ist ein klingendes Märchen: Gzhel). Es gibt auch ein Buch in deutscher Sprache: Igor Wassiljew, Keramik aus Gshel- Leningrag 1987. | ||
LEK1-Info 14 | ||
Kurt Eberhart, Mariusz Salwinski 2010: Unbekanntes Russland. Ikonenmalerwerkstätten im 18. und 19. Jahrhundert. | ||